Gedanken zur Jahreslosung

Alle Jahre wieder kommt die Jahreslosung; ein Vers aus der Bibel, der uns ein Jahr lang begleiten kann. Für die einen eine (positive) Herausforderung für die kommenden zwölf Monate, für andere ein Satz, der innerhalb weniger Tage wieder aus ihrem Gedächtnis verschwindet wird und für wieder andere eine Tradition, die sowieso jedes Jahr auf das Neue ignoriert wird.

Zu welchem Typ gehörst du? Bedeutet dir die Jahreslosung etwas?

Ich gehöre zum zweiten Typ! Am Anfang des Jahres ist der Bibelvers total präsent, aber nach einiger Zeit, inmitten des Alltags und all den Dingen, die wir innerhalb eines Jahres zu erledigen haben, verfliegt dieser Vers in das Nichts. Dabei könnte dieser Vers eine so wertvolle Wegbegleitung sein!

Lukas 6,36 – [Jesus spricht]: „Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist.“

Als ich diesen Vers zum ersten Mal als Jahreslosung für 2021 las, kamen mir zwei Fragen in den Kopf.

  1. Was bedeutet Barmherzigkeit/barmherzig sein?
  2. Wieso steht das „wie euer Vater barmherzig ist“ am Ende?

Zu diesen zwei Fragen im Folgenden ein paar wenige Gedanken.

1. Was bedeutet Barmherzigkeit/barmherzig sein?

Hier begegnet uns ein Wort, das heutzutage doch eher zu den Fremdwörtern gehört, oder? Und gehört es nicht genauso zu jenen frommen Wörtern, die in christlichen Kreisen zwar benutzt, aber nie richtig erklärt werden? Wie würdest du Barmherzigkeit/barmherzig sein definieren?

Für das Wort, welches wir im griechischen Text vorfinden,[1] geben manche Wörterbücher als Alternativübersetzung „Mitleid/mitleidend; Erbarmen/erbarmend; Mitgefühl/mitfühlend“ an. Es geht demnach darum, mit unserem Nächsten mitzufühlen. Wir sollen Anteil nehmen an den Dingen, die im Leben unserer Mitmenschen vor sich gehen. Ignoranz und Gleichgültigkeit wären dementsprechend genau das Gegenteil davon.

2. Wieso steht das „wie euer Vater barmherzig ist“ am Ende?

„Seid barmherzig!“ – So lautet die Aufforderung an uns. Aber steht sie alleine da? Nein! Der „Nebensatz“ „wie euer Vater barmherzig ist“ gehört dazu. Beide Teile gehören wie ein Herz und eine Seele zusammen. Denn bei allem, was wir tun, eben auch ganz besonders bei der Barmherzigkeit, kann und soll Gott unser Vorbild sein.

Gott ist barmherzig zu uns! Er fühlt und geht mit uns durch die Höhen und Tiefen unseres Lebens. Wir sind ihm nicht gleichgültig und er ignoriert uns nicht. Er ist im vollem Maße barmherzig, denn er nimmt Anteil an unserem Leben; ja, er hat es selbst gelebt, als er in Jesus Christus als Mensch auf diese Erde kam. Und hier zeigte er seine Barmherzigkeit, indem er Gemeinschaft pflegte mit all denen, die als Außenseiter und Abschaum galten und ihnen Gottes unendliche Liebe entgegenbrachte.[2] Aus dieser Barmherzigkeit Gottes uns gegenüber heraus verstehen wir, was es bedeutet, wirklich Anteil am Leben unserer Nächsten zu nehmen. Und leben wir diese Barmherzigkeit ebenso heutzutage aus, wird uns (und anderen) immer mehr bewusst, wer Jesus ist.

Lasst uns daran erinnern, was Gott für uns getan hat und darauf aufbauend nach dem streben, wozu uns die Jahreslosung ermutigt: Barmherzigkeit ausüben; barmherzig sein! Denn gerade unser Handeln soll doch zeigen, dass wir zu Jesus gehören.[3]

Wie Jesus wollen wir barmherzig sein!

Vielleicht bleibt dieser Vers in den kommenden zwölf Monaten haften. Und vielleicht, und das wäre bei weitem der größere Wunsch, trägt er auch Frucht.


[1] Der Text aus der Bibel wurde ursprünglich auf Griechisch geschrieben.

[2] Bspw. Lukas 19,1-10.

[3] Matthäus 5,16; 1. Petrus 2,12.

Der C. S. Lewis Adventskalender – 24/24

Lewis liebte Bücher! Das ist als Literaturwissenschaftler wahrscheinlich existentiell. Und unter der zahlreichen Lektüre, die er liebte, stach für ihn die Bibel als etwas Besonderes hervor. Die Wirkung, die dieses Buch auf ihn hatte, allen voran der darin enthaltenen Schilderungen über Jesu Leben, Sterben und Auferstehen in den Evangelien, reflektiert er in seiner Autobiografie:

„Ich war mittlerweile als Literaturwissenschaftler zu erfahren, um die Evangelien als Mythen zu betrachten. Sie hatten nicht das Aroma von Mythen. Und doch war der Stoff, den sie in ihre [sic!] kunstlosen, historischen Art und Weise darstellen – diese engstirnigen, unattraktiven Juden, die zu blind waren für den mythischen Reichtum der heidnischen Welt um sie her – genau der Stoff, aus dem die großen Mythen gemacht sind. Wenn je ein Mythos Tatsache, Fleisch geworden war, dann würde er gerade so sein wie dies.

Und es gab in der ganzen Literatur nichts, was ganz genauso gewesen wäre. Mythen waren in einer Hinsicht ähnlich. Geschichtswerke in einer anderen. Aber nichts war einfach genauso. Und keine Person war wie die Person, die in den Evangelien geschildert wurde; so real, so erkennbar über die Kluft all jener Jahrhunderte hinweg, wie Platos Sokrates oder Boswells Johnson …, doch gleichzeitig auch numinos, bestrahlt von einem Licht von jenseits der Welt, ein Gott. Doch wenn ein Gott – schließlich waren wir keine Polytheisten mehr -, dann nicht ein Gott, sondern Gott. Hier und nur hier in allen Zeiten mußte der Mythos zur Tatsache, das Wort Fleisch, Gott Mensch geworden sein. Das ist weder ‚eine Religion‘ noch ‚eine Philosophie‘. Es ist die Summe und die Tatsächlichkeit aller Religionen und Philosophien.“[1]

Weihnachten erinnern wir uns genau daran: Das Wort wurde Fleisch; Gott wurde Mensch (Johannes 1,1.14). Gesegnete Weihnachten!


[1] Clive Staples Lewis. Überrascht von Freude. Brunnen: Gießen, 2007. S. 282.

Der C. S. Lewis Adventskalender – 23/24

Was feiern wir Weihnachten? Wir feiern, dass Gott Mensch geworden ist! In Jesus ist unser Schöpfer einer von uns geworden. Als Mensch und Gott ist er am Kreuz gestorben. Und als Mensch und Gott stand Jesus wieder von den Toten auf. Jesus ist eben nicht nur Mensch, sondern auch Gott! Aber: Er ist eben nicht „nur“ Gott, sondern auch Mensch! 

„Ich treffe, wie mir scheint, nur selten auf ein starkes, jubelndes Empfinden dafür, dass die Menschlichkeit Christi eine andauernde, niemals abzulegende ist, die auch in der Herrlichkeit, in der Ewigkeit besteht. Zu Weihnachten betonen wir zu sehr nur die Menschlichkeit, und nach der Auferstehung zu sehr nur die Göttlichkeit; beinahe so, als wäre Christus einmal ein Mensch geworden und dann bald wieder dazu zurückgekehrt, einfach nur Gott zu sein. Wir sehen die Auferstehung und die Himmelfahrt (zu Recht) als große Taten Gottes; eher selten nehmen wir sie als Triumph des Menschen wahr.“[1]


[1] Clive Staples Lewis. Das Gespräch mit Gott: Beten mit den Psalmen. Brunnen: Gießen, 20193. S. 146f.

Der C. S. Lewis Adventskalender – 22/24

Lewis über die Wirklichkeit und das Christentum:

„Die Wirklichkeit ist meistens ganz anders, als wir vermutet hätten. Das ist einer der Gründe, weshalb ich dem Christentum glaube. Es ist eine Religion, die man sich nicht hätte ausdenken können. Würde uns der christliche Glaube ein Weltbild vermitteln, das genau unseren Erwartungen entspricht, so würde ich ihn für menschliche Erfindung halten. Tatsächlich aber gehört er zu den Dingen, die man nicht hätte erfinden können.“[1]


[1] Clive Staples Lewis. Pardon, ich bin Christ: Meine Argumente für den Glauben. Brunnen: Gießen, 201221. S. 48.

Der C. S. Lewis Adventskalender – 21/24

Eines der Kennzeichen des christlichen Glaubens, die auf manche Nichtchristen wohl äußerst abstrus wirken muss, ist unser Glaube an den Satan; den Teufel. Auch Lewis glaubte an ihn und er schrieb sehr viel über ihn, wobei er ihn meistens als „Feind“ bezeichnete, der nach wie vor versucht, uns von Gott fernzuhalten. 

„Vom Feind besetztes Gebiet – das ist diese Welt. Das Christentum läßt uns wissen, wie der rechtmäßige König gekommen, gleichsam verborgen gelandet ist und uns alle aufruft, am weltweiten Feldzug der Partisanen teilzunehmen. Wenn wir zum Gottesdienst gehen, hören wir den Geheimsender unserer Verbündeten ab; deshalb ist auch dem Feind so sehr daran gelegen, uns vom Gottesdienst fernzuhalten. Er bedient sich dabei unserer Eitelkeit, Feigheit, Faulheit und unseres intellektuellen Snobismus.

Sicher wird nun jemand fragen: ‚Wollen Sie heute im Ernst unseren alten Freund, den Teufel mit Pferdehuf und Hörnern wieder einführen?‘ Nun, was das ‚heute‘ damit zu tun hat, weiß ich nicht. Und auf Pferdefuß und Hörner lege ich keinen besonderen Wert. Im übrigen aber wird meine Antwort lauten: ‚Jawohl, genau das habe ich vor.‘ Ich behaupte nicht, etwas über die äußere Erscheinung des Teufels zu wissen. Wenn aber jemand seine nähere Bekanntschaft zu machen wünscht, so würde ich ihm sagen: ‚Keine Bange, wenn Sie ernsthaft wollen, werden Sie ihm schon begegnen. Was Sie hinterher sagen werden, das ist allerdings eine andere Frage.‘“[1]


[1] Clive Staples Lewis. Pardon, ich bin Christ: Meine Argumente für den Glauben. Brunnen: Gießen, 201221. S. 52.

Der C. S. Lewis Adventskalender – 20/24

Eine Frage, die die Christen seit jeher beschäftigt, ist, inwiefern man sich denn jetzt wirklich selbst für Jesus entscheidet oder ob nicht doch Gott diese Entscheidung in unserem Innern bewirkt. Lasse ich Gott in mein Herz oder lässt er sich selbst hinein? Lewis schreibt in seiner Autobiografie von der eigenen Entscheidung, aber gleich danach kommentiert er diese Aussage wie folgt:

„Ich sage ‚Ich entschied mich‘, doch es schien eigentlich gar nicht möglich zu sein, das Gegenteil zu tun. Auf der anderen Seite waren mir keinerlei Motive bewußt. Sie könnten einwenden, daß ich hier nicht frei handeln konnte, doch ich neige eher zu der Auffassung, daß dies einer vollkommen freien Handlung ähnlicher war als das meiste andere, das ich je getan habe. Notwendigkeit ist vielleicht nicht das Gegenteil der Freiheit, und vielleicht ist ein Mensch am freiesten dann, wenn er, statt Motive vorzubringen, nur sagen kann: ‚Ich bin, was ich tue.‘“[1]


[1] Clive Staples Lewis. Überrascht von Freude. Brunnen: Gießen, 2007. S. 268-270.

Der C. S. Lewis Adventskalender – 19/24

Weihnachten rückt immer näher. Für viele bedeutet das vielleicht erneuter Stress aufgrund der davonlaufenden Zeit und all den Dingen, die man innerhalb dieser Zeit noch erledigen muss. Lewis schrieb einmal über die Zeit:

„[W]ir sind mit der Zeit so wenig versöhnt, dass sie uns sogar immer wieder verblüfft. ‚Wie groß er geworden ist!‘, rufen wir, ‚Wie die Zeit vergeht!‘, als wäre die allgegenwärtige Form unseres Erlebens immer wieder eine überraschende Neuigkeit für uns. Das ist genauso seltsam, wie wenn ein Fisch sich immer wieder über die Nässe des Wassers wundern würde. Und das wäre wirklich sehr seltsam, es sei denn freilich, es wäre dem Fisch bestimmt, eines Tages zu einem Landtier zu werden.“[1]

Will Lewis hier sagen, dass wir zu etwas bestimmt sind, was noch vor uns liegt; etwas, dass über unser jetziges Zeitverständnis hinausgeht? Für mich schwingt in diesen Worten die Botschaft der Ewigkeit mit, die uns erwartet.


[1] Clive Staples Lewis. Das Gespräch mit Gott: Beten mit den Psalmen. Brunnen: Gießen, 20193. S. 150f.

Der C. S. Lewis Adventskalender – 18/24

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wann ich die Bedeutung der Tat Jesu nicht nur begriffen, sondern ebenso als Wahrheit anerkannt habe. Es war 2016 in Hildesheim. Meine Schwester feierte ihre standesamtliche Hochzeit und auf einem Spaziergang erzählte ihr Schwiegervater, wie er zum Glauben gekommen war. Ich muss gestehen, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann, was er damals gesagt hat, doch ich weiß, dass ich irgendwann an einer Ampel stand und es mir wie Schuppen von den Augen fiel: Jesus lebt! Er starb für mich und versöhnte mich dadurch mit Gott! Und nun lebt er wieder! Es war kein sichtbar emotionales Erlebnis, sondern ein tiefer Frieden, der mich überkam. Mir kamen keine Tränen und ich wurde auch nicht von irgendetwas Übernatürlichem zu Boden gerissen. Man könnte eher sagen, dass mir einfach im Innern ein Licht aufging: All die Dinge, die mir in den letzten Jahren über Jesus in der Gemeinde erzählt wurden, sind wahr. Sie sind nicht das Produkt irgendwelcher Fantasiegeschichten. Jesus schien mir einfach ganz nüchtern zu sagen: Es stimmt, was du über mich sowieso schon weißt!

Es gab Zeiten, in denen ich mich stark gefragt habe, ob es normal sei, dass dieser Moment der endgültigen Annahme Jesu in meinem Leben eben kein emotional aufgeladenes Geschehen war. Diese Frage kam immer dann wieder auf, wenn ein anderer Christ von seiner spektakulären Bekehrungsgeschichte berichtete und das war nicht selten der Fall. Ich fühlte mich in solchen Situationen fast schon schlecht, weil meine eigene „Bekehrung“ im Vergleich dazu immer eher wie eine trockene Zustimmung wirkte. Als ich dann knapp vier Jahre später die Glaubensgeschichte von C. S. Lewis las und endlich an dem Punkt gelangte, wo er Christ wurde, musste ich ironischerweise fast weinen.

„Ich weiß noch sehr gut, wann, aber kaum wie ich den letzten Schritt tat. Eines sonnigen Morgens wurde ich nach Whipsnade gefahren. Als wir aufbrachen, glaubte ich nicht, daß Jesus Christus der Sohn Gottes sei, und als wir den Zoo erreichten, glaubte ich es. Dabei hatte ich die Fahrt eigentlich nicht mit Denken zugebracht. Auch nicht in starken Emotionen. ‚Emotional‘ ist vielleicht das Wort, mit dem man manche der wichtigsten Ereignisse am wenigsten beschreiben kann. Es war eher so, wie wenn ein Mensch nach langem Schlaf immer noch bewegungslos im Bett liegt und sich bewußt wird, daß er nun wach ist.

Und es war […] zweideutig. Freiheit oder Notwendigkeit? Oder unterscheiden sich die beiden überhaupt noch, wenn sie ihr Höchstmaß erreichen? Auf diesem Höchstmaß ist ein Mensch das, was er tut; es ist nichts von ihm über die Tat hinaus oder außerhalb der Tat übrig.

Was das betrifft, was wir gemeinhin Wille nennen, und das, was wir gemeinhin Emotion nennen, so scheint mir, daß diese beiden normalerweise zu laut reden und zuviel protestieren, um ganz glaubwürdig zu sein, und man hat den heimlichen Verdacht, daß die große Leidenschaft und die eiserne Entschlossenheit teilweise nur aufgesetzt sind.“[1]


[1] Clive Staples Lewis. Überrascht von Freude. Brunnen: Gießen, 2007. S. 283f.